Um eine Sache zu verstehen, ist es oft sinnvoll sich anzusehen, wie sie entstanden ist. Wenn wir uns also darum bemühen, den Begriff Führung zu verstehen, können wir uns auch ansehen, wie er eigentlich entstanden ist. Mir bereiten solche Ausflüge in die Etymologie außerdem noch Spaß.
Führen kommt ursprünglich von fahren, was wiederum die Bedeutung von bewegen, gehen, wandern hat. Wer führt, sorgt dafür, dass eine Sache in Bewegung, in Gang oder eben in Fahrt kommt. Es hat damit die ursprünglich exakt gleiche Bedeutung wie motivieren, das sich aus dem lateinischen movere ableitet und ebenso bedeutet, dass eine Sache in Bewegung gebracht wird. Führen (?) wir unseren Ausflug in die Sprachgeschichte noch ein wenig weiter und schauen wir uns das englische Leadership an. Lead kommt aus dem nordgermanischen laithjan, einer Ableitung von laitho, was so viel heißt wie Weg oder Reise. Lead heißt daher ebenso wie führen oder motivieren, dass etwas wie in Gang oder in Fluss gebracht wird.
Es ist verwandt mit dem deutschen Wort leiten, dass wir heute auch einerseits in der Form von Führung verwenden, das andererseits aber auch z.B. in der Elektrizitätsleitung auf die sich bewegenden Teilchen hinweist.
Eine Sache soll also ursprünglich bewegt werden. Im Mittelalter begannen die Begriffe dann differenziertere Bedeutungen zu erhalten. So entstand beispielsweise der Begriff Lebensführung, der darauf hinweist, dass wir uns in erster Linie selbst führen. Irgendwann um 1560 kam dann die Bedeutung „an erster Stelle stehend“ dazu. In der heutigen Bedeutung der Begriffe bleibt es demnach nicht mehr beim Bewegen einer Sache, sondern die Begriffe wurden erweitert auf das Bewegen/Führen/Motivieren von Menschen. Wie das geht, dafür gibt es eine Reihe von Führungs- und Motivationstheorien. Vor allem manche Motivationstheorien (vgl. Sprenger, Hüther) legen aber auch dar, dass das eben nicht geht: dass man andere Menschen nicht motivieren kann, sondern dass man nur Rahmenbedingungen festlegen kann, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie aus sich heraus motiviert handeln, sich also von selbst bewegen. Wenn man andere aber nicht motivieren kann, wie kann man andere Menschen dann führen können?
Hier dämmern uns nun langsam mögliche Unterschiede in den heutigen Wortbedeutungen: bedeutet motivieren für viele von uns also, dafür zu sorgen, dass Menschen gerne in Bewegung kommen und führen nur, dass sie überhaupt in Bewegung kommen – egal wie? Wenn ja, dann wird es Zeit, dass wir uns wieder der gemeinsamen Grundbedeutungen von führen bzw. lead und motivieren besinnen. Die erste Kunst des Führens ist es zunächst einmal, sich selbst zu führen. Sein eigenes Verhalten in Bewegung zu bringen, nicht in eigenen Verhaltensmustern erstarrt zu verharren, nicht krampfhaft zu überlegen, wie man andere dazu bringt, Verhalten zu verändern. Wir arbeiten an der Frage, wie wir Dinge in Bewegung bringen, in dem wir lernen uns selbst zu bewegen. Wenn wir das können, haben wir immer noch Zeit, uns damit zu beschäftigen, wie wir andere bewegen. Aber vielleicht ist das dann gar nicht mehr so häufig nötig.